News 16.06.2025

Verbindung von Kultur und Tourismus

Ausschnitt aus dem Rondo-Magazin Beitrag der Südostschweiz
Im Interview mit dem Rondo Magazin der Südostschweiz spricht Kaspar Howald, Projektleiter von graubünden Cultura, über die Rolle von Kultur im Wandel des alpinen Tourismus.

Kultur ist weit mehr als eine Ergänzung – sie könnte zur treibenden Kraft für eine nachhaltige Entwicklung im Kanton Graubünden werden. Im Gespräch wird deutlich, dass Kultur nicht nur Sinn stiftet, sondern auch wirtschaftliches Potenzial entfalten kann. Angesichts des Klimawandels und sinkender Schneesicherheit betont Howald, dass der alpine Tourismus dringend neue Wege gehen muss. Seine Vision: Kultur als ergänzendes, tragfähiges Standbein, das lokale Identität stärkt und neue Perspektiven eröffnet.

Oft wird die Formel «Kultur ist der neue Schnee» verwendet, um den Wandel im Tourismus zu beschreiben – doch Howald warnt vor genau diesem Denken. In seinen Augen greift es zu kurz, Kultur lediglich als Ersatz für den winterlichen Schneetourismus zu instrumentalisieren: «Was wir bisher mit Schneekanonen und Bergbahnen gemacht haben, können wir nicht mit Opernhäusern machen.» Stattdessen plädiert er für ein grundlegendes Umdenken. Der Kulturtourismus solle keine Kompensation sein, sondern eine eigenständige Form von Tourismus mit eigenen Werten und Impulsen – kreativ, identitätsstiftend und ortsbezogen.

Besonders hebt Howald die kulturelle Vielfalt Graubündens hervor: 150 Täler, drei Landessprachen, zwei Konfessionen und zahlreiche historische sowie zeitgenössische Kulturinitiativen. Diese kulturelle Tiefe sei ein enormes Potenzial, das oft unterschätzt werde – sowohl innerhalb als auch ausserhalb des Kantons. So gebe es etwa in abgelegenen Regionen wie Tschlin innovative Projekte wie die «Brunnenbäder» des Künstlers Curdin Tones, die Kultur mit sozialem Raum verbinden.

Als Plattform zwischen Kultur- und Tourismusschaffenden versteht sich graubünden Cultura als Vermittler: Ziel ist es, Know-how aufzubauen, kreative Projekte zu vernetzen und gemeinsame Strategien zu entwickeln. Dabei werden konkrete Formate umgesetzt – wie das Arbeitsprogramm «Spazi avert & Ufficinas», regionale Kulturprofile oder eine kantonsweite digitale Kulturplattform mit Veranstaltungskalender und kuratierten Inhalten.

Zugleich weist Howald auf strukturelle Herausforderungen hin: In vielen Tourismusorganisationen fehle das kulturelle Know-how. Touristikerinnen und Touristiker seien oft auf Outdoorsportarten spezialisiert, während kulturelle Inhalte wenig bis gar nicht in ihrer Ausbildung vorkämen. Umso wichtiger sei es, dass beide Bereiche lernen, die «Sprache des anderen» zu sprechen – denn Kulturschaffende hätten oft Berührungsängste gegenüber der Tourismusbranche, aus Angst vor kommerzieller Vereinnahmung.

Dass Kulturtourismus wirtschaftlich funktionieren kann, zeigt das Beispiel Sils im Engadin: Die Aktivitäten rund um den Philosophen Friedrich Nietzsche machen dort inzwischen einen erheblichen Teil des touristischen Umsatzes aus. Auch das spektakuläre Projekt des «Weissen Turms» in Mulegns – das höchste 3D-gedruckte Gebäude der Welt – belege eindrucksvoll, wie Kultur nicht nur Aufmerksamkeit schafft, sondern ganze Regionen neu positionieren kann.

Das Zwischenfazit nach zwei Jahren graubünden Cultura fällt gemischt aus: Einerseits sei überraschend viel kulturelles Potenzial bereits vorhanden, andererseits mangele es oft noch an strategischer Einbindung und Sichtbarkeit. Howald ist jedoch überzeugt: Die Zukunft des Tourismus liegt in seiner Vielfalt – und die Kultur ist ein zentraler Teil davon. Entscheidend sei, das Wissen zu teilen, Projekte sichtbar zu machen und die Bevölkerung ebenso wie Gäste für das kulturelle Erbe und die zeitgenössische Kreativität zu sensibilisieren.

Mit Projekten, Veranstaltungen und Netzwerkarbeit wird graubünden Cultura bis mindestens 2027 weiter daran arbeiten, Kultur und Tourismus nachhaltig zu verbinden – nicht als Notlösung, sondern als bewusste, zukunftsfähige Strategie.

Ausschnitt aus dem Rondo-Magazin Südostschweiz

Beitrag im Rondo Magazin

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